Westernreiten

Der kleine, aber feine Unterschied

Westernreiten hat mich als eingefleischte Dressurreiterin in meiner Jugend wenig interessiert. Mein Eindruck, dass man sich dabei mit exotisch anmutenden Equipment und weggestreckten Beinen am durchhängenden Zügel vom Pferd durch die Gegend tragen lässt, stimmte nicht mit meiner Vorstellung von Reitkunst überein.

 

Während eines Urlaubs in Ostfriesland begann ich mich näher mit dieser Reitweise zu beschäftigen,  und die reiterliche Herausforderung  reizte mich. Zudem verfiel ich dem Charme dieser Pferde. Ich lernte, dass die verschiedenen Reitweisen sich auf hohem Niveau doch sehr ähneln. Der Hauptunterschied besteht darin, dass das "englisch" gerittene Pferd ständig an den Hilfen steht, der Reiter also permanent arbeitet- bei einer Arbeitsreitweise aber muss das fertig ausgebildete Pferd selbstständig arbeiten. Letzteres erweckt den Eindruck lässiger Eleganz und Leichtigkeit- im Unterschied zum militärisch geprägten "Englischreiten". Ein weiterer Unterschied liegt im Grad der Versammlung und in der Aufrichtung; diese ist beim klassisch gerittenen Pferd höher, ermöglicht damit höhere, erhabenere Aktionen in der Vorhand, während die Vorwärtsbewegung geringer wird. 

 

Was bedeutet "Versammlung"? Und wie bekommt man ein Pferd dazu, sich ohne (sichtbare) reiterliche Hilfe zu versammeln?

 

In der Versammlung nimmt das Pferd eine Haltung an, in der es seinen Reiter so ausbalanciert trägt, dass es dabei optimal agieren kann. Dazu treten die Hinterbeine tief unter den Schwerpunkt des Pferdes, es wölbt den Rücken und den Nacken auf, das ganze Pferd "wird rund". Durch die Gewichtsaufnahme in der kräftigen Hinterhand und Aufrichten des Halses wird es in der Vorhand leicht und wendig. Das Grundtempo wird verlangamt, die Aktionen in der Vorhand höher.  Der Reiter sitzt  bequem "tief im" Pferd.

 

Optimalerweise  lernt ein Westernpferd bei seiner Arbeit z.B. am Rind, sich in die  Versammungs- Haltung zu bringen, um seine Füße korrekt positionieren zu können und bei den engen, raschen Manövern mit hohem Schwerpunkt (dem Reiter) nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Es lernt durch Versuch und Irrtum, trainiert durch häufiges Reiten. Da wir Freizeit- und Turnierreiter in der Regel weder Ranches, Rinderherden noch die nötige Zeit zur Verfügung haben, lernen unsere Westernpferde die Versammlung meist durch gymnastizierende Übungen in der Reitbahn- wie Dressurpferde auch. Dabei setzen wir sehr wohl Schenkel- und Zügelhilfen ein, dies aber immer nur solange, bis das Pferd die gewünschte Reaktion zeigt. Die Tiere reagieren dadurch immer feiner.

 

Westernreiten ist eine Signalreitweise. Beim fortgeschrittenen Pferd erfolgt nur noch ein Signal, wenn eine Änderung in Richtung oder Tempo erwünscht ist.

Ein nach klassisch- kalifornischer Schule weit ausgebildetes Pferd  trägt eine Zäumung, welche als "Signal Bit" funktioniert. Das sind oft mächtige Kandaren wie das Spade Bit, die aus Unwissenheit oft als "scharf" verunglimpft werden. Doch muss man sich vergegenwärtigen, dass ein Bit- ein Gebiss- immer so scharf ist wie die Hand, die es führt. Die Anwendung einer gebisslose Zäumung wie der klassische Hackamore täuscht Harmlosigkeit vor. Bei falscher Handhabung ist sie entweder völlig wirkungslos, oder sie wirkt insbesondere bei schlechter Anpassung und Verarbeitung schmerzhaft auf die sensiblen Kontaktpunkte am Pferdekopf. Hinsichtlich Auswahl und Anpassung einer klassischen Hackamore sollte man sich unbedingt von einem erfahrenen Ausbilder beraten- in deren Anwendung dann gründlich schulen lassen!

Bodenarbeit- oder "wer bewegt wen?"

Essentiell für die Basis einer guten Zusammenarbeit von Pferd und Reiter ist die frühzeitige Erziehung des Pferdes bei der Bodenarbeit. Diese ist in allen Sparten des Umgangs mit Pferden nützlich, Westernreiter legen aber traditionell besonderen Wert darauf.  Schon dem Fohlen sollte die Funktion des Menschen als ranghöheres Herdenmitglied vermittelt werden- eine wichtige Grundlage für Respekt und Vertrauen. 

 

Unter "Bodenarbeit" verstehe ich nicht stumpfes "Ab"Longieren, sondern eine Reihe abwechslungreicher, aufeinander aufbauender Übungen, die jedes Pferd von Natur aus versteht- weil sie auf natürlichen, angeborenen Reaktionen beruhen. Pferde kommunizieren in erster Linie körpersprachlich. Das Verhalten der Pferde untereinander gilt es genau zu studieren und auf unsere bewussten und unbewussten Signale dem Pferd gegenüber übertragen. Ich brauchte dazu einen versierten Trainer, und ich weiß nicht, wer mehr gelernt hat, das Pferd oder ich- für´s Leben!

 

Seine Position als rangniederes Herdenmitglied mir gegenüber lernt das Pferd durch meine Reaktion auf seine Fehler. Drängeln, Überholen, in-die Hacken-Treten, Kampfschmusen und Zappeln sind tabu. Ganz nebenbei lernt es dabei sich führen zu lassen, stillzustehen, auf Hand- Zeichen oder Berührungen zu weichen. Danach kann ich es beim Verladetraining bequem allein auf den Hänger schicken- vorwärts und rückwärts. Lange vor der Anreitphase erwirbt es durch Vor- und Hinterhandwendungen, Rückwärtsrichten und Seitengänge die nötige Kraft und Koordination für spätere gymnastizierende Übungen unter dem Reiter.

Vaquero Horsemanship

Die Wortverwandtschaft von "Vaquero", dem kalifornischen Rinderhirten zur "Doma Vaquera", der spanischen Arbeitsreitweise, ist kein Zufall. Spanische Siedler aus Adels- und Bildungsschichten, die diese Reitkunst auf einem hohen Niveau beherrschten, ließen sich in Kalifornien nieder und bildeten zum Hüten ihrer "Vacas" (Rinder) in klassischer Manier Indianer zu Rinderhirten aus. Diese Vaqueros brachten nicht nur ein angeborenes Talent zum Reiten, sondern auch ein großes handwerkliches Geschick mit. Alte spanische Handwerkskunst wurde weiterentwickelt. Zaumzeuge, Lasso, Zügel etc. wurden aus roher Rinderhaut geflochten, aus kunstvoll punziertem Leder und mit Silberapplikationen verziert zu kostbaren Schmuckstücken. Das Wort "Vaquero" wurde später durch Amerikanisierung zu "Buckaroo"- womit jedoch im Gegensatz zu den dunkelhäutigen Vaqueros die weißen Cowboys gemeint sind, die noch den alten kalifornischen Stil und die hohe Kunst des Reitens pflegen.

 

Die Ausbildung eines Vaqueropferdes nach traditionellen Regeln dauert 3-6 Jahre und erfolgt in festgelegten Schritten mit unterschiedlichen Zäumungen.

In der ersten Phase ist dies die gebisslose Hackamore- anfangs mit ca. 3/4" recht dick, mit Feinerwerden des Pferdes dünner und leichter werdend. Alternativ wird heute auch auf das Snaffle- Bit (Wassertrense) zurückgegriffen.

In der 2. Ausbildungsphase wird auf "Two Reins" gezäumt: eine dünnere Hackamore (das Bosal) und darüber die Kandare (Bit), welche das Pferd nun zu tragen lernt. Anfangs hängt das Bit quasi unbenutzt am langen Zügel im Pferdemaul, dann werden beide Zügel bedient, bis zuletzt die Korrekturen über das Bosal unnötig werden und - in der 3. Phase- nur noch die Kandare benutzt wird. Das Pferd ist dann "fertig", und kann zügelunabhängig geritten werden. Das Bit dient nur noch als Signalgeber. Ein ganz dünnes Bosal (Pencil) bleibt als Zeichen der vollendeten klassischen Ausbildung und als Führhilfe unter der Zäumung.

 

Eine Seite über Handwerkskunst das typische Equipment werde ich noch zusammenstellen.